Große Halle allgemein

BENJAMIN QUEEN & Aprilynne Graham

Ja, in der Tat wurde April wirklich rot. Benjamin versuchte sie nicht anzustarren, da es wahrscheinlich nur noch peinlicher für April gewesen wäre. Alles was sie sagte, klang wie billige Ausreden. Sie war sehr abgelenkt und redete wirres Zeug, was Ben nicht ganz nachvollziehen konnte, aber vielleicht meinte sie es ja ernst mit dem 'ich finde die Augen anderer Leute einfach so unglaublich interessant' - das hoffte Benjamin zumindest. Stille kehrte ein und Ben wusste auch nicht, was er jetzt hätte sagen können. Es war einfach alles so - ihm fiel dafür kein Wort ein. Er wollte April am liebsten direkt darauf ansprechen was los sei, denn er wollte nicht noch eine Person, die ihm hinterherläuft und ihn bewundert, er wollte gute Freunde auf Augenhöhe. So wie April sich verhielt, war sie so eine nicht, aber wirklich gut kannte Benjamin sie ja noch nicht, also hielt er sich mit seinen Verurteilungen zurück.
Die tödliche zog sich in die länge und April fing an zu essen. Benjamin hatte keinen Hunger und ging lieber auf Aprils Frage ein, die endlich wieder zum Gespräch führte. Benjamin fiel auf, dass Aprilynne den Blick in seine Augen diesmal vermied, was er sichtlich erleichternd fand. "Mein Vater ist tot. Er ist bereits gestorben als ich 4 Jahre alt war." Mehr wollte Ben dazu erstmal nicht sagen, denn nach mehr hatte April ja auch nicht gefragt. Wenn sie noch mehr fragen würde - klar - würde Ben antworten, aber dass hatte sie bisher noch nicht getan. Ben wirkte nicht traurig als er das sagte. er wirkte eher neutral. Er war auch ohne Vater gut aufgewachsen und er kannte ihn ja. Er kannte ihn und hatte viel von ihm gelernt, auch wenn er nicht lange bei Ben war. Ben fand immer, dass es seine Schwester schlimmer erwischt hatte, weil sie ihn gar nicht richtig kennen lernen konnte, obwohl andere vielleicht sagen möchten, dass sie es gerade deswegen wohl einfacher hatte. Das spielte jedoch gerade alles keine Rolle.
April schien zufrieden zu sein. Sie lächelte und war irgendwie glücklich, was Ben wiederum beängstigte, aber nur innerlich. Äußerlich setzte er ein Lächeln auf, denn vielleicht war April ja doch einfach eine gewonnene Freundin, was er sich nicht vorstellen konnte. Ihm ging einfach dieses Gesicht nicht aus dem Kopf, wie er sie sonst immer sah - von oben bis unten durchgestylt, von morgens bis abends... Solche Leute waren nicht Ben's Typ. Er konnte sich nicht vorstellen, dass aus den beiden Freunde werden konnten, aber eine nette Bekanntschaft war es von ihm aus dennoch und somit begegnete Ben ihr weiterhin freundlich. April war schon eine schräge Persönlichkeit und schien sich irgendwie nicht ganz sicher zu sein, wie und wer sie selbst war. Auf so etwas hatte Ben auf Dauer keine Lust, aber das lies er sich wie so oft nicht anmerken. Eigentlich wollte Ben lieber die Situation beenden, um sich zu Freunden zu gesellen, aber da April gerade so zufrieden war und er es ja angeboten hatte, mit ihr zu essen, blieb er da und wartete auf eine Reaktion auf Seiten Aprils, die anscheinend gemerkt hatte, dass Benjamin es irgendwie eilig hatte.

BENJAMIN QUEEN & Aprilynne Graham

Sie hätte wohl lieber nicht gefragt? Als hätte das für Ben einen Unterschied gemacht, ob sie gefragt hätte oder nicht. Sie tat ja beinahe so, als müsste sie Benjamin beschützen. Er zog jedoch ein Lächeln auf und sagte: "Nein, nein - fragen ist ja nichts Schlimmes! Ich bin auch ohne Vater gut aufgewachsen und ich kannte ihn ja zumindest, im Gegensatz zu meiner Schwester.. Also ich komme damit gut klar." - nur damit das klar gestellt war. Benjamin brauchte niemanden, der ihn vor seiner Vergangenheit beschützt, vor allem nicht jemanden wie April, die doch selber irgendwie gespalten wirkte. Die Situation war Ben sichtlich unangenehm. Diese Unruhe spürte April wohl. Irgendwie wirkte sie traurig, das merkte Ben. Er sah in ihr plötzlich eine tiefe Einsamkeit. Vielleicht war sie gerade deshalb so besorgt gewesen, dass Ben keinen Vater mehr hatte. Aber Ben wollte sich nicht als Psychologe versuchen, da seine Menschenkenntnis eigentlich ziemlich miserabel war. Aus Freundlichkeit und da sich eine vernichtende Spannung aufgebaut hatte, fragte Benjamin: "Was ist los?" Er klang vielleicht ein wenig abgehackt, aber Mitgefühl war auch nicht gerade seine größte Stärke. Es schien jedoch so, als hätte April verstanden, wie Ben es meinte, denn es tat ihm schon leid, dass April gerade - wahrscheinlich wegen ihm - schlecht drauf war. Aber Ben sollte sich nichts vormachen. Aus April und ihm würden keine Freunde werden, dass konnte er sich denken. Trotzdem klang seine Stimme bei der Frage ungewöhnlich sensibel und zart.
April hatte tatsächlich gemerkt, dass Benjamin nun sehr hektisch geworden war. Er war nicht verabredet, aber eigentlich wollte er einem weiteren Gespräch mit April aus dem Weg gehen, da er sich nicht noch mehr Feinde machen wollte. April würde wahrscheinlich nicht unbedingt ein Feind werden, aber momentan schien sie nicht mehr zu schwärmen, sondern eher Benjamin zu verachten, was Ben wirklich nicht abhaben konnte. Aber verschwinden wollte er auch nicht. Sollte er gehen? Wenn er es tun würde, hätte er wahrscheinlich auch nichts besseres zu tun, als wenn er hier bei April saß und versuchte dieses Gespräch noch irgendwie zu retten. Eigentlich wollte er lieber schweigen und so tun, als hätte er es nicht gehört, aber Ben war ein ehrlicher Mensch und konnte auch nicht besonders gut Lügen. Also musste er antworten: "Nein, eigentlich nicht." Mehr wollte er nicht sagen und schwieg danach einige Zeit. "Aber wenn ich gehen soll?" Benjamin hörte bei dieser Frage auf zu lächeln, denn dann würde man sehen, dass es eigentlich ein taktischer Versuch war, sich loszulösen ohne unfreundlich zu sein, denn wenn April es wollen würde, könnte er sich ja ohne Vorwürfe loslösen. Es sah so aus, als hätte April dies nicht durchschaut.

BENJAMIN QUEEN & Aprilynne Graham

Einen Gedanken.. Eine sehr genaue Definition der geschehenen Situation - naja, genau das Gegenteil. Aber weiter nachfragen war auch nicht angebracht, vor allem weil Aprilynne nicht mehr unglücklich aussah. Mal wieder folgte auf die Antwort ihrer seits dieser tiefe, interessierte Blick in seine Augen. Ben mochte das nicht - wirklich nicht! Er fühlte sich entweder bedrängt oder provoziert, wie ein Tier. Er ließ es weiter über sich ergehen und hörte schließlich wieder diese neutrale Stimme, die absolut nicht zu dem Anblick Aprils passte, wie Ben fand. Da April anscheinend wirklich interessiert an Augen war - warum auch immer - konnte Ben ja genauer auf das Thema eingehen, denn dann hatten sie ja auch mal wieder ein Gesprächsthema. "Meine Augen? Bitte, was ist denn so besonders an meinen Augen?" Und hinzufügen musste er auch noch etwas: "Nein, ich glaube ich bleibe hier." Die Situation war irgendwie sehr kaltherzig gewesen. Diese neutrale, beinahe beängstigende Stimme von April gegenüber einem jungen Mann, der sowieso kaum Gefühle ausstrahlte. Und noch dazu schien es beinahe so, als fühlte April sich beobachtet. Und dann auch noch das ganze zuvor... Alles war seltsam, so verwirrend - jedoch nicht so für Benjamin. Er machte sich keine Gedanken darum, was als nächstes passieren würde, ob er und April Freunde werden sollten oder auch nicht. Er glaubte immer noch nicht daran, aber was solls. Besseres hatte er auch nicht zu tun als dort zu sitzen und zu zu hören, was April in seinen Augen für verschiedene Blautöne oder sonst etwas sah. Verrückt war dieses Mädchen schon, dachte Ben. Sie wirkte so unentschlossen und allein. Verlassen und allein zwischen riesigen Menschenmassen - so abwesend und aus einer anderen Welt. Ben konnte es nicht wissen - er kannte sich sowieso schlecht mit Menschen und deren Charakteren aus - aber er konnte es gut analysieren. Benjamin war schlecht im fühlen, aber brillant im Beobachten und Erkennen. Das reichte in diesem Fall schon aus um jenen Schluss zu fassen.